Porträt
Neue Caritas August 2025

Was stärkt Frauen in Afghanistan?

Nachgefragt bei Parvina Tadjibaeva, Büroleitung Caritas international Kabul

Lesezeit: ca. 2 Minuten
Caritas international

Die Taliban haben in Afghanistan ein patriarchales System aufgebaut. Frauen werden unterdrückt und von Bildung, Beschäftigung und dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Diese Frauen zu stärken, dazu ist Parvina Tadjibaeva prädestiniert. Seit August 2024 leitet die Mutter von drei Kindern das Büro von Caritas international in Afghanistan.

Tadjibaevas Glück war, in einer gebildeten und liberalen Familie aufzuwachsen. Ihr erstes Studium hat sie an der technologischen Universität in Duschanbe absolviert. Doch wegen des herrschenden Bürgerkriegs, aus Angst vor Übergriffen, sollte sie als junge Frau, wie es in ihrer Heimat üblich war, früh verheiratet werden. Sie entzog sich diesen Zwängen und ging – zunächst als Au-Pair, dann als BWL-Studentin – nach Deutschland und wurde eine unabhängige und selbstbewusste Frau. Sie spricht fließend Russisch, Englisch und Deutsch.

„Mir war es immer wichtig, etwas für die Frauen zu verändern“,sagt sie. „Ich bin als Mädchen in Tadschikistan groß geworden, in einer patriarchalen Gesellschaft, in der sich eine Frau den aufgezwungenen Konventionen und Dogmen zu unterwerfen hatte.“

Ihre Berufung fand sie in der sozialen Arbeit für jene, die in vielen Gesellschaften zu den Schwächsten zählen: Menschen mit Behinderung, Alte und Frauen. Lange Jahre leitete sie das Büro von Caritas international in Tadschikistan, bis sie dem Ruf nach Afghanistan folgte. Dort koordiniert sie humanitäre Hilfe, betreibt Projekte für Frauen und Kinder und stärkt lokale Partnerorganisationen – mit viel Geschick und Diplomatie, um zu erreichen, was unter der Herrschaft der Taliban möglich ist. Ihr kultureller Hintergrund, ihre Migrationserfahrung, ihre Kenntnisse gesellschaftlicher Wertesysteme der UdSSR, aus Tadschikistan, aber auch aus Westeuropa ermöglichen ihr, den Menschen in Afghanistan auf Augenhöhe zu begegnen. Sie spricht ihre Sprache, kennt die kulturellen Nuancen.

„Die Menschen erkennen, dass sie ihr Leben trotz schwieriger Bedingungen mitgestalten können.“

„Ich lerne ständig dazu, auch von ihnen”, sagt Tadjibaeva. Ihr wichtigstes Anliegen ist: ohne Paternalismus, unter der Berücksichtigung der örtlichen und traditionellen Gegebenheiten auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Sie hört zu und zeigt Perspektiven auf. Nur mit solchen Selbstwirkungserfahrungen kann eine nachhaltige Veränderung bewirkt werden. „Die Menschen“, weiß Tadjibaeva, „erkennen, dass sie ihr Leben in einer Gesellschaft trotz schwieriger Bedingungen in einem repressiven System mitgestalten können. Das ist der Boden für eine zukünftige Demokratie.”

Neue Caritas August 2025

Aktuelle Ausgabe
Erschienen am 29. Juli 2025

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